Flyer zur 4. Sitzung des Dialogforum Schiene Nord
Ausbau Schienengüterverkehr
Lösung oder Teil des Problems?
Das „Dialogforum Schiene Nord“ hat von vornherein einen Fehler: Ein „Nein“ zu jeglicher Form von Trassenaus- oder Neubau ist nicht vorgesehen. Es ist nicht vorgesehen, den vermeintlichen Sachzwang in Frage zu stellen. Und dieser Sachzwang leutet: „Wir“ brauchen eine infrastrukturelle Verbesserung der Hinterlandanbindung der Seehäfen. Wer ist dieses „wir“? Um 63 % soll das Umschlagvolumen deutscher Seehäfen zwischen 2010 und 2030 steigen. Die Lebensqualität der Menschen in diesem Land steigt dadurch mit Sicherheit nicht in diesem Ausmaß. Und für die Anwohner*innen der Neu- oder Ausbaustrecken sinkt sie in einem Ausmaß, das sich in Prozenten nicht ausdrücken lässt. In erster Linie profitieren die großen Konzerne. Sie sind das „wir“, auf das wir uns verpflichten lassen sollen.
Dabei ist jedem halbwegs aufgeklärten Menschen klar, dass es so nicht weitergehen kann. Sinnvollerweise lässt sich eine Infrastrukturdiskussion heute nicht mehr loslösen von globalen Fragen. Aber in der Diskussion sollen „Umweltschutzfragen“ auf einem Niveau erörtert werden, das vielleicht in den 1970er Jahren angemessen gewesen wäre. Das ist gänzlich unangemessen. Die heute zu erwartenden Impulsreferate zum Themenblock „Natur & Umwelt“ sind zwar fachlich wahrscheinlich korrekt, aber sie antworten auf Fragen, die längst verrechtlicht sind. Sich damit zu befassen, ist Zeitverschwendung. Und es lenkt ab von der wesentlichen Frage, ob wir tatsächlich so weitermachen können wie bisher. Wer sich den Sachzwang der Kapazitätsengpässe zu eigen macht, beantwortet diese Frage mit „Ja“. Das aber ist kein Beitrag zur Lösung, sondern Teil des Problems.
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Auf die Rückseite des Flyers haben wir ein paar Textauszüge gepackt aus der
ENZYKLIKA LAUDATO SI’ VON PAPST FRANZISKUS
ÜBER DIE SORGE FÜR DAS GEMEINSAME HAUS
(Anmerkung: Wir haben das nicht getan, weil wir große Fans der katholischen Kirche und des Vatikan wären, sondern weil wir meinen, dass an dieser Enzyklika deutlich wird, das ethische Fragen von inter- und intragenerationeller Gerechtigkeit drängend im Raum stehen. Diese zwingen zu einer Infragestellung all der Weltanschauungen, denen die kapitalistische Wachstumslogik zugrunde liegt. Die vollständige deutsche Übersetzung des Textes der Enzyklika gibt es auf den Seiten des Vatikan.)
[…] Die Menschheit ist aufgerufen, sich der Notwendigkeit bewusst zu werden, Änderungen im Leben, in der Produktion und im Konsum vorzunehmen, um diese [Erd-]Erwärmung oder zumindest die menschlichen Ursachen, die sie hervorrufen und verschärfen, zu bekämpfen. […]
Viele von denen, die mehr Ressourcen und ökonomische oder politische Macht besitzen, scheinen sich vor allem darauf zu konzentrieren, die Probleme zu verschleiern oder ihre Symptome zu verbergen, und sie versuchen nur, einige negative Auswirkungen des Klimawandels zu reduzieren. Viele Symptome zeigen aber an, dass diese Wirkungen jedes Mal schlimmer sein können, wenn wir mit den gegenwärtigen Produktionsmodellen und Konsumgewohnheiten fortfahren. [...]
Es gibt allzu viele Sonderinteressen, und leicht gelingt es dem wirtschaftlichen Interesse, die Oberhand über das Gemeinwohl zu gewinnen und die Information zu manipulieren, um die eigenen Pläne nicht beeinträchtigt zu sehen. […] Indessen fahren die Wirtschaftsmächte fort, das aktuelle weltweite System zu rechtfertigen, in dem eine Spekulation und ein Streben neigen, den gesamten Kontext wie auch die Wirkungen auf die Menschenwürde und die Umwelt zu ignorieren. [...]
Niemand verlangt, in die Zeit der Höhlenmenschen zurückzukehren, es ist aber unerlässlich, einen kleineren Gang einzulegen, um die Wirklichkeit auf andere Weise zu betrachten, die positiven und nachhaltigen Fortschritte zu sammeln und zugleich die Werte und die großen Ziele wiederzugewinnen, die durch einen hemmungslosen Größenwahn vernichtet wurden. [...]
Welche Art von Welt wollen wir denen überlassen, die nach uns kommen, den Kindern, die gerade aufwachsen? [...]
Eine Änderung der Lebensstile könnte dazu führen, einen heilsamen Druck auf diejenigen auszuüben, die politische, wirtschaftliche und soziale Macht besitzen. […] Die ökologische Umkehr, die gefordert ist, um eine Dynamik nachhaltiger Veränderung zu schaffen, ist auch eine gemeinschaftliche Umkehr. [...]